Nachhaltiger E-Commerce

Wie Datenschutz und Umweltschutz zusammenhängen

von: Caroline Helbing

 

Natürlich ist Nachhaltigkeit ein Thema für E-Commerce Unternehmen. Es wird aber immer noch als „nice-to-have“ gehandelt.

Ausnahmen bilden produzierende Unternehmen vor allem im D2C und pre-loved Reseller, die bestimmte Umweltschutz-, Recycling- oder Fairtrade-Ziele ins Mission Statement aufgenommen haben. Hier ist man in der Pflicht transparent zu berichten; und muss mittlerweile auch mit kritischer Durchleuchtung auf „Green Washing“ rechnen.

Für alle anderen Geschäftsmodelle rangieren Nachhaltigkeitsmaßnahmen als Kommunikationsidee auf der To-Do-Liste mit dem Vermerk ‚sobald wir Zeit dafür haben‘. Dabei ist das Thema perspektivisch für den Unternehmenserfolg sehr viel größer als gelegentlich etwas gute PR.

Nachhaltigkeit ist mehr als CO2-neutraler Versand

Kein Unternehmen würde sich gegen Nachhaltigkeit aussprechen. Was man aber im Umkehrschluss tatsächlich dafür tut, ist für Kunden und Partner nicht transparent und oft intern auch gar nicht bekannt.

Die Wenigstens kommen auf die Idee, es als Selbstverständlichkeit zu belegen, welche konkrete Schritte sie unternehmen. Und damit meine nicht nur den CO2-Ausstoß aufwiegende Maßnahmen wie Wiederaufforstung zum Schutz lebendiger Natur oder Recyclingverpackung, um natürliche Ressourcen verantwortungsvoll zu nutzen. Das ist recht erstaunlich, wenn man bedenkt, dass Lebensräume und Umweltgleichgewicht zu erhalten, keine Mildtätigkeit und Großzügigkeit anderen Arten gegenüber ist. Es ist ein wichtiger und eigennütziger Beitrag, damit wir selbst gut und gesund leben.

Zitat: Nachhaltigkeit betrifft auch das digitalen Umfeld

Hier deutet sich an, warum „nachhaltig“ im E-Commerce viel zu eng gefasst ist. Denn obwohl wir uns jeden Tag (und im E-Commerce sogar ausschließlich) darin bewegen, sprechen wir im Zusammenhang von Nachhaltigkeit nie über unser digitales Lebensumfeld. Digitale Communities und vernetzte Räume haben jeden Aspekt des Alltags erreicht und stark erweitert. Und wie jeder Lebensraum wird das Digitale dadurch gestaltet, dass man und wie man darin lebt.

Mentale Belastungen zeigen, wie der digitale Lifestyle zunehmend von Sicherheitsbedenken bestimmt wird und wie gravierend die Auswirkungen schon sind.

Eco Anxiety ging Privacy Anxiety voraus

So wie der Klimawandel als globale Herausforderung ein bestimmendes Thema unserer Zeit ist, ist es auch die Digitalisierung mit ihren Chancen und Gefahren.

 

Die Furcht vor den existenzbedrohenden Konsequenzen der Umweltzerstörung ist als „Eco Anxiety“ seit 2017 als Stress-Phänomen mit starker gesundheitlicher Beeinträchtigung bekannt. („Understanding eco-anxiety“ in The Journal of Climate Change and Health)

 

Analog möchte ich mit „Privacy Anxiety“ den Unruhezustand beschreiben, wenn die omnipräsente digitale Nachverfolgung zu Besorgnis und Furcht führt. Betroffene haben Angst vor Manipulation und Kontrollverlust durch die Sammlung, industrielle Verarbeitung und Verwendung ihrer personenbezogenen Daten, denen uns die aktuelle Infrastruktur des Internets aussetzt. Es ist aber nicht nur das Aneignen von Informationen über das eigene Selbst durch Fremde, das diese Unruhe auslöst, sondern vor allem die Konsequenzen, die als Bedrohung erkannt werden: Entlocken von Details, die man eigentlich nicht preisgeben möchte, unbemerktes Bespitzeln, daraus resultierende nachteilige Behandlung (nicht zugänglicher Content, höhere Preise, Jobinterview, Versicherungsbeträge, Kreditwürdigkeit), Betrug (Einbruch, Diebstahl, Täuschung) und sogar den Verlust der eigenen Identität (Identitätsdiebstahl, Identitätsmissbrauch).

 

Die Zusammenhänge des Klimawandels waren lange unklar oder wurden außer von Fachleuten und informierten Zirkel bereitwillig ignoriert, bis das globale Ausmaß offensichtlich wurde. Die Tatsache, dass jeder und jede unausweichlich betroffen ist, erweitert die eigene Verantwortung vom eigenen unmittelbaren Umfeld auf wirklich alle, die den Lebensraum teilen.

Analog zeigen sich für Nutzer ohne digitale Fachkenntnis auch die Gefahren in aller Deutlichkeit erst an einem Punkt, wenn das Sammeln und Verwerten personalisierter Informationen großflächig und weltweit in Gesellschaft, Märkte und Politik eingegangen ist. Vielleicht sind wir heute noch nicht an diesem Punkt der gemeinschaftlicher Bewusstwerdung; aber wir sind ziemlich nah dran. Und es stellen sich die gleichen Fragen nach Innovationen, Initiativen; Messgrößen und Standards, Initiativen, Zielen und koordinierter Maßnahmen.

Digitalen Lebensraum gestalten

Wer Daten sammelt, verarbeitet und verwendet, leistet einen Beitrag für oder gegen den Erhalt des gemeinsamen gesunden Lebensumfelds.

Das gilt für alle, die ein digitales Angebot betreiben, wie eine App oder Website, und ganz besonders einen Onlineshop, der mit einer Vielzahl hochsensibler Daten hantiert und persönliche Verhaltensinformationen mit rechtlichen (Identität), finanziellen (Payment) und lokalen (Shipping) Angaben eineindeutig verknüpft.

Die Digitalisierung hat sich in der Manier eines aufregenden Experiments nach dem Trial-and-Error-Prinzip entwickelt. So kam es, dass einige Fragen in der Anfangszeit ignoriert wurden oder unbeantwortet blieben – manchmal vielleicht auch zurecht.

Wenn aber große Fragen dauerhaft ausgeklammert werden und unbeantwortet bleiben, schafft dies ein Klima der Sorge und Unruhe. Die Konsequenzen einer hohen Digitalisierung aller Lebensbereiche ist eine solche offene große Frage. Und natürlich kann man nur gestalten, was man vorher durchdacht hat.

Dass bisher niemand eine mittel- bis hochdigitalisierte Lebenswelt in realitätsgestützten Modellen durchgespielt hat, zeigt sich daran, dass für alle pessimistischen wie optimistischen Zukunftsphantasien immer noch Literatur und Film herhalten müssen: seien es Orwells 1984, Matrix oder die Jetsons.

Filmszenen aus

Von der Innovation zum Mainstream - Handel ist Meilenstein und Katalysator

Wenn aber alle Lebensbereiche und Aktivitäten von der Digitalisierung erreicht sind, warum dann der Fokus auf den E-Commerce? Weil der Handel die Digitalisierung beschleunigt. Er war der erste und wichtigste auf hohem Niveau digitalisierte Bereich des Lebensalltags. Und bei genauerer Betrachtung zeigt sich: viele Innovationen erreichten genau dann Massentauglichkeit, wenn sie im Handel sicher etabliert waren.

Wer die Geschichte nach diesem Muster durchsucht, dass dies nicht nur für digitale, sondern für alle Innovationen gilt. Man hat mit der Spinning Jenny selbstverständlich nur deswegen mehr Tuch produziert, um damit zu handeln. Und selbst die Erfindung des Rads braucht die Absicht damit schwere Güter zu transportieren, um sich zu verbreiten. (Auch wenn der „homo oeconomicus“ wohl weniger rational, als man früher glaubte, der Begriff kommt nicht von ungefähr.)

Hier zwei Beispiele aus unserer gemeinsam erlebten jüngeren Digital-Geschichte:

Social Media etablierte sich als ernst zu nehmenden Kanal der Customer Journey erst in dem Moment, als Unternehmen und Marken gezielt Inhalte und Zugänge schufen und vielfältig in die Community und Ads investierten. Heute ist Social es ein festes Standbein in jedem Marketingalltag. So schaffte Facebook den Sprung von einer Freundes- und Kontaktliste mit Pinnwand zum Newskanal für Produkte, Special Interest Themen und Nachrichten bis hin zum wichtigen Medium, um Wahlentscheidungen vorzubereiten.

Einige andere Kanäle folgten dem Modell beispielsweise Instagram, TikTok und auch Pinterest. In anderen – Snapchat - ist es bisher nicht in dem Maße gelungen. Vielleicht müssen wir aber nur abwarten, bis die Nutzerschaft älter und kaufkräftige geworden ist.

Häufig lautet das Narrativ: die Plattform ist so gut, dass alle User dort sind, und Händler dahin folgen, wo die Kunden sind. Ab einer gewissen Größe glaube ich an einen anderen kausalen Zusammenhang:  die Händler sind die Königsmacher und bringen die Möglichkeiten den Social Plattformen. Einmal durch die Marketinggelder, die es finanzieren, aber auch die Kundenbindung, die diese Händler (und nicht jedem ist es bewusst) letztendlich mitbringen.

Ein zweites Beispiel sind mobile Endgeräte und Mobile Commerce. Schon lange gab es mobile Endgeräte, nicht nur für Internet und E-Mail. Ich habe bereits 2000 für die ersten Firmen mit kommerziellen Ansätzen wie Payment gearbeitet. Sie haben sich nicht durchgesetzt, weil die Akzeptanz mit dem Handy zu zahlen, wie wir es heute über NFC kennen, damals keine Basis hatte. Der große Durchbruch kam, als Onlineshops auch eine gute User Experience auf iPhone Screens boten und das Smartphone damit das Organisieren des Lebens in vollem Umfang erlaubte: nicht nur vom Business Kommunikation und Fitnesstracker, sondern auch zur Bestellung des Taxis, Mittagsessens oder Wocheneinkaufs. Die Sprache bietet vielleicht den besten Beleg. Wer spricht heute noch von M-Commerce? (Vielleicht hast du oben bei meinem Satz sogar gestutzt der geschmunzelt. :) ) Heute stellt sich - wenn überhaupt - nur noch die Frage, ob Mobile First oder nicht.

Auch beim Thema Nachhaltigkeit unter den Ersten…

Mit zweistelligen Wachstumsraten und einem technologisch sehr dynamischen Umfeld bleibt der E-Commerce auch weiterhin Vorreiter der Digitalisierung. Ich erwarte daher, dass der E-Commerce auch die Folgen dieser manchmal ungerichteten Furcht, manchmal sehr konkreten Angst genannt „Privacy Anxiety“ als einer der Ersten zu spüren bekommen wird.

Der Schutz der individuellen Endnutzer (User) ist das letzte fehlende Puzzlestück in einer Sorgfaltsdiskussion, die sich bereits über einen langen Zeitraum aufbaut. Schon seit vielen Jahren gibt es für ESG-Themen (environmental, social, governance) freiwillige Richtlinien auf UN- und OECD-Ebene. Es besteht grundsätzlicher Konsens darüber, dass Staaten die Pflicht haben, ihre Bürger zu bewahren, Unternehmen aber die Verantwortung tragen zu fragen, ob und wer geschädigt wird. Ebenfalls klar ist, dass Leidtragende entschädigt werden sollen.

Weil sich gezeigt hat, dass Freiwilligkeit nicht ausreicht, wenn Personen und Umwelt geschädigt werden, ist in Deutschland seit Januar letzten Jahres (2023) das Gesetz zur Lieferkettensorgfaltspflicht in Kraft. Gerade erst (April 2024) wurde auf EU-Ebene das Lieferkettengesetz verabschiedet, das in einigen Punkte darüber hinausgeht; etwa in der Überwachungspflicht, aber auch der Möglichkeit, dass individuell Betroffene in den EU-Mitgliedsstaaten zivilrechtlich auf Schadenersatz klagen können.

Auch wenn kleine und mittelständische Unternehmen von beiden zunächst nicht betroffen sind (LkSG galt ab 2023 ab 3.000 Mitarbeitenden, seit 2024 ab 1.000 MA; CS3D ab 250 MA und 450 Mio. Jahresumsatz), ist die Tendenz ist klar. Ob großes oder kleines Unternehmen, in Rahmen der eigenen Möglichkeiten, trägt jedes Unternehmen Verantwortung für die eigenen Kunden und Partner, Umwelt und Communities zu übernehmen; und zwar nicht nur für sich selbst, sondern dafür, was in der Supply Chain passiert.

Auf Seiten der Menschenrechte stehen zum einen Sicherheit des Individuums und auch das Verbot des Eindringens in die Privatsphäre. Stand heute werden weder die gesundheitlichen Konsequenzen überwacht noch transparent dazu kommuniziert.

Natürlich haben wir die DSGVO (GDPR), aber hier werden nur grundsätzlich Dokumentation und Zustimmung verlangt (mit Ausnahmen und Schlupflöchern). Die Frage, wie eine gute und gesunde Praxis für Business und User aussehen würde, wird gar nicht gestellt. Und ebensowenig beantwortet.

Unabhängig von einer möglichen zukünftigen Gesetzgebung, ist persönlich von „Privacy Anxiety“ betroffen zu sein, in jedem Fall ein starker Antrieb, Antworten zu finden. Einmal für das Selbstverständnis eines jeden Unternehmens, aber auch als selbstverständliche Verantwortung den eigenen Kunden gegenüber, die man dauerhaft binden möchte.

So müssen sich Online-Händler die Frage gefallen lassen, was sie ihren Kunden außer unverständlichen Cookie-Bannern heute eigentlich anbieten.

[Bildquelle: Environmental Headervisual mit freundlicher Genehmigung von skyoverse.]

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Die Gründerin Caroline Helbing ist Kommunikationsexpertin und Philosophin mit langjähriger Erfahrung als Head of Product, Head of Customer Management und Content Strategin im E-Commerce.

Zugleich hat sie als Journalistin, Autorin und Projektmanagerin vom klassischen Verlagswesen, über Indie-Publikationen und Self-Publishing viele sehr verschiedene Bücher  und weitere Publikationen aus der Taufe gehoben und auf den Markt gebracht.

 

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